Bernhard Herkner 

Auszüge aus einem Brief vom Mai 1953 an Justus Benzler, vormals Laubnitz Nr. 104

Almstedt, den 15. Mai 1953

Lieber Herr Benzler und Familie,

Da Sie doch schon, wie ich erfahren habe, Grüße von Hermsdorfern aus Bad Salzdethfurt und Königsdahlum bekommen haben, will ich Ihnen hiermit ein Lebenszeichen von Almstedt Krs. Alfeld senden. Erinnere mich sehr oft an manch frohe Stunde, die wir bei unserem lieben Otto Jentsch und bei Pastor Schmidthals zusammen waren.

L. H. Benzler, von den Hermsdorfern bin ich mit Familie allein hier im Ort, war zuerst in Bodenburg, musste aber diesen Ort mit einem Arzt vertauschen, wohne hier bei einem Bauern (138 Morgen); schon seit Juli 46 habe ich gleich Arbeit bekommen, und zwar in einer Zuckerfabrik, wo ich bis 49 ununterbrochen beschäftigt war. Gott sei Dank, dass ich Arbeit bekam, denn ich hatte ja gar kein Geld. Die Russen und Polen haben mir alles gestohlen. Bekam dann 49 Rente und habe dann nur in der Kampagne (Zuckerrübenernte) bis zuletzt 52.

Schwer und böse, ja furchtbar, war die Zeit, seitdem wir nicht mehr beisammen waren. Am 11.2.45 war ich noch mit den lieben Laubnitzern auf dem Schulhofe zusammen, um zu beraten, was eigentlich werden soll. Denn wir waren alle ratlos. Ich bin dann noch mit Paul und Otto Jentsch ein kurzes Stück Wegs gegangen, fast lautlos, in banger Sorge um das, was werden würde. Stumm haben wir uns nochmals die Hände gedrückt, nicht ahnend, dass es das letzte Mal sein würde. An jenem Sonntag Nachmittag, als wir da so ratlos versammelt waren, verließ auch Ihre liebe Frau die Heimat mit Trecker und Gummiwagen. Wir haben noch ihr so wehmütig nachgeschaut und sagten uns, ja wohin? Wir waren uns nämlich einig geworden, wir bleiben, und sind auch geblieben. Nur sehr wenig von uns allen sind noch am Leben geblieben. Fräulein Schön, mit der ich vor kurzem beisammen war, erzählte mir, wie sie alle hatte sterben sehen. Ich habe es nur meinem Herrgott zu verdanken, dass ich dieser Horde entkommen bin. Wieviel Mal haben sie den Bürgermeister von Hermsdorf gesucht, der immer noch fehlte, aber Gott der Herr war mein Schutz und Schirm und hat mich immer Wege gewiesen, dass ich diesen Tyrannen entkam, aber auf ganz seltsamer wunderbarer Weise. Februar, März bis so zum ersten Osterfeiertag haben sie mich verfolgt, und so um den 20.4. - was ich jetzt berichte, ist kaum zu glauben - wurde ich wieder russischer Bürgermeister für Hermsdorf und bekam von der Kommandantur eine amtliche Bestätigung mit Sowjetstern (Stempel) ein großes Schild in deutsch und russischer Sprache. Ein andermal mehr.

Herzliche Grüße an Sie und Ihre Familie und Gott befohlen

Ihr Bernhard Herkner