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Robert
Langner aus Benau
Erlebnisbericht
des Amtssekretärs i. R. Robert Langner aus Benau
Beglaubigte
Abschrift, 31. August 1952 |
<<Sonntag,
den 11. Februar 1945, wurden wir früh mit der Nachricht überrascht,
der Russe stehe an der Brücke von Gladisgorpe. Anrückendes
deutsches Militär bestätigte dies. Da die eingesetzten Kräfte
zu schwach waren, konnte der Russe mit Infanteriekräften über
den Bober Fuß fassen.
Die Lage wurde
für die Bevölkerung von Benau immer kritischer, so daß an
die Räumung von Benau gedacht werden mußte.
Bei dem Ernst
der Lage hätte dies für die Gesamteinwohnerschaft veranlaßt
werden müssen. Viele warnende Stimmen, Frauen und Kinder doch
abzubefördern, wurden von der Kreisleitung nicht beachtet,
auch hat die Leitung der Gemeindebehörde völlig versagt.
Montag, den 12.
Februar 1945, wurde die Lage unhaltbar, so daß gegen 13.00
Uhr mittags der Befehl kam, den Ort umgehend zu räumen. Jetzt
war es für viele, welche kein Gespann hatten, zu spät.
Das Oberdorf
wurde um diese Zeit von den Russen beschossen, desgl. der
Bahnhof. Das Bahnpersonal mit seinen Familien hatte den
Bahnhof mit dem Zuge verlassen, so daß der Bahnhof in Benau
stillgelegt war.
Nun begann in
überstürztem Maße die Räumung, jedoch nur von denjenigen,
welche eigenes Gespann hatten. Die anderen waren zum größten
Teil sich selbst überlassen. Auch ich bemühte mich, meinen
Sohn Kurt mit Familie und meine Frau auf dem Treck
unterzubringen, dies gelang mir bei dem Bauern Max Krause,
welcher einen Trecker fuhr. Der Bestimmungsort für Benau war
Spremberg. Ich und meine Tochter Elsa nahmen uns unsere Räder
und fuhren gegen 3.00 Uhr nachmittags in der gleichen Richtung
ab.
Als wir in
Laubnitz anlangten, hatte der ganze Treck haltgemacht, um in
Laubnitz zu übernachten. Wäre der Treck weitergefahren, so wäre
ihm viel Unglück erspart geblieben, denn am Dienstag besetzte
der Russe Laubnitz und behinderte den Treck am Weiterfahren.
Der Bauer
Krause sowie der Bauer Paul Blobel, dieselben fuhren einen
Trecker, haben in Laubnitz nicht gehalten, sind weitergefahren
und haben ihr Ziel Spremberg erreicht. Ich und meine Tochter
sind bis Gersdorf gefahren, um bei einem Geschäftsfreund zu
übernachten. Am andern Morgen fuhren wir über Bahnhof
Liebsgen nach Pitschkau, um dort zu übernachten. Hier trafen
wir die Bauern Wilhelm Wittber und Bruno Flöter mit ihren
Gespannen, welche hier gleichfalls übernachten wollten.
Gegen Abend kam
auch für Pitschkau der Räumungsbefehl, so daß ich und meine
Tochter nach Gablenz zu ihren Schwiegereltern fuhren. Hier
blieben wir über Nacht. Am Mittwoch, dem 14. Februar 1945,
sahen wir die letzten deutschen Posten. Da wir von den Russen
eingeschlossen waren, faßte ich den Entschluß, mit meiner
Tochter nach Benau zurückzukehren. Wir wollten fremde Leute
nicht belästigen. Wir nahmen Richtung auf Zwippendorf. Beim
Bahnübergang teilte uns ein Bahner mit, nicht über
Zwippeudorf zu fahren, da uns die Russen nicht mehr durchließen.
Wir schlugen den Weg links der Bahn ein, um über die Lubsbrücke
nach Berthelsdorf—Friedersdorf, von da nach Benau zu
gelangen. Als wir ungefähr 300 Meter im Walde gegangen waren,
hörten wir russische Panzer in Richtung Gassen fahren. Im
selben Augenblick erschienen deutsche Flieger und beschossen
die Panzer, die Panzer die Flieger. Wir waren einem mörderischen
Feuer von zwei Seiten ausgesetzt. Äste Sogen uns zu Füßen.
Wir liefen, so schnell uns unsere Füße tragen konnten, unter
einen Bahntunnel, unsere Räder liegen lassend. Nach einiger
Zeit wurde es wieder ruhiger, wir nahmen unsere Räder und
gingen in Richtung Chaussee. Auf dem Wege dorthin begegnete
uns der Müller und erklärte, die Mühle sei von den Russen
besetzt.
An der Chaussee
angelangt, wir mußten über die Lubsbrücke, gewahrten wir au
der Mühle einen russischen Posten. Im gleichen Augenblick
erschien ein weiterer Posten mit Gewehr. Wir hoben die Hände
hoch, und man ließ uns in Richtung Berthelsdorf passieren.
Kaum 200 Meter
von der Chaussee entfernt, griffen unsere Flieger erneut
russische Panzer au. Wir standen wieder im Bomben- und
Maschinengewehrhagel; aber trotzdem die Kugeln um uns
herumpfiffen, sind wir nicht getroffen worden. Wir gingen nun
in Richtung Berthelsdorf. Kurz vor dem Dorfe sahen wir
fahrende russische Kolonnen in Richtung Gassen, an der Bahn
lang fahrend. Wir gingen in ein Gehöft, da wurde uns von der
Wirtin mitgeteilt, sofort weiterzugehen, da die Russen gleich
wiederkommen würden. Sie hatte ihre Tochter versteckt, da die
Russen nach ihr fahndeten. Ich und meine Tochter verließen
daraufhin das Haus.
Als wir
ziemlich die Straße erreichten, kam uns ein russischer
Offizier mit zwei Mann entgegen. Wir hoben die Hände hoch und
konnten, ohne belästigt zu werden, die Straße passieren. Nun
gingen wir in Richtung Friedersdorf die Straße entlang. Am
Wege lagen Fahrräder, Stiefel, Hausratsgegenstände und
anderes mehr, unseren Landsleuten gehörig. Als wir kurz vor
Friedersdorf anlangten, kamen unsere Flieger und beschossen
das dritte Mal russische Kolonnen. Auch dieses Mal blieben wir
unverletzt, trotz der nahen Einschläge.
Wir gingen nun
durch den Wald in Richtung Hermsdorfer Weg und wollten am
Buschkretscham vorbei nach Benau, in unsere Behausung. Als wir
ungefähr einen halben Kilometer durch den Wald gegangen
waren, wurden wir von seitwärts angerufen. Beim Umdrehen
gewahrten wir einen russischen Offizier mit Fahne. Als er näher
herankam, gab er zu verstehen, daß er nicht schieße und gut
sei. Dies flößte uns Vertrauen ein. Er sah nicht als Russe
aus, hatte blondes Haar und blaue Augen. Er brachte eine Karte
von unserer Gegend in russisch hervor, desgl. Kompaß und
Zentimetermaß und fragte nach unserem Wohin. Ich zeigte ihm
auf der Karte unseren Ort Benau. Er nahm ein Päckchen
deutsche Zigaretten heraus und bot mir und meiner Tochter
davon an, ein paar zu nehmen. Ich hatte ein Fläschchen
Schnaps bei mir und bat ihn, zu trinken; ich mußte jedoch
zuerst davon trinken, dann tat er dasselbe. Er liebäugelte
auch nach meiner Tochter, berührte sie jedoch nicht unzüchtig.
Nun nahm er das Rad meiner Tochter und schob es einen halben
Kilometer durch den Wald. Am Wege begegnete uns der Bauer
Gustav Spielberg aus Friedersdorf; derselbe wollte nach
Gablenz zu seiner Familie, mußte jedoch nach Friedersdorf mit
zurückkommen. Nun stieß ein russischer Posten zu uns,
Anweisungen von ihm zu erhalten. Jetzt bestiegen die beiden
ihre Räder in Richtung Fünfeichen.
Als wir dort
ankamen, konnten wir unbehelligt passieren. Kurz vor dem Bahnübergang
kamen wieder Russen schießend auf uns zu, aber es stellte
sich heraus, daß die Schüsse nicht uns galten, sondern einer
fahrenden Kolonne, welche Richters Weg in Richtung Syrau fuhr.
Am Buschkretscham angelangt, erschien aus dem Klohsschen Haus
wieder eine Patrouille, welche auch uns wieder passieren ließ.
Der oben bezeichnete Offizier hatte bis hier Anweisung
erteilt, uns unbehelligt passieren zu lassen.
Bei der Witwe
Reimann begegnete uns ein Auto mit vier russischen Offizieren;
wir grüßten, auch sie ließen uns passieren. Von Öl-Kluge
ab sahen wir die Zerstörung des Niederdorfes, zerschossene
und brennende Gehöfte, tote Deutsche und russische Soldaten,
jedoch keine lebenden Benauer. Die Leere und Totenstille
machten auf uns einen niederschmetternden Eindruck. Dies war
wohl mit die schwerste Stunde, die ich mit meiner Tochter
erlebte. Es kam uns vor, als ob wir die einzigen lebenden
Benauer seien.
Wir gingen dann
bei Schmied Nitschke den Fußweg über die Wiesen nach unserem
Grundstück zu. Vor dem Gehöft des Bauern Willi Rautenstrauch
bei der Eiche sahen wir zwei Frauen und ein Kind nach dem
Grundstück Schäfer Sündermann zugehen. Im selben Augenblick
hörten wir übermenschliche Schreie, denn aus dem Grundstück
kamen mehrere Russen, welche wohl die Frauen belästigten. Am
Abend erfuhren wir, daß es Frau Paul Sündermann mit Mutter
und Tochter waren. Die Mutter ist seitdem verschwunden. Nun
gingen ich und meine Tochter nach unserem Grundstück.
Am Hexengraben
lag ein russisches Auto und ein toter Russe. Auf unserem
Grundstück angelangt, stellten wir unsere Räder ans Haus und
begaben uns in die Küche, von da in die Stube. Die Türen
standen alle offen, und eine Grabesstille umgab uns. Beim
Anblick der Küche und Stube, wir sind nur eine halbe Minute
im Haus gewesen, packte uns das Grauen, denn es war alles
Geschirr in kleinste Stücke zerschlagen. Auch im Hofe lagen
die gefüllten Weckgläser zerschlagen am Boden. Ich sagte:
„Komm, mein liebes Kind, hier haben wir nichts mehr zu
suchen; wir haben hier zur Zeit keine Heimat mehr.”
Es war uns
bekannt, daß der alte Gritzbach, 75jährig, auf seinem
Grundstück bleiben wollte. Wir begaben uns dorthin. Ungefähr
30 Meter vom Gritzbachschen Grundstück bei einem
Bretterstapel wurden wir im Flüsterton angerufen: „Legt
euch nieder”. Beim Nähertreten erkannten wir ca. 30 unserer
Landsleute. — Ernst Sündermann nebst Tochter und Enkel,
Familie Max Tschentke, Familie Kurt Blobel nebst Mutter und
Schwester, Robert Groß mit Familie, Paul Denzer mit Familie.
Dieselben hatten sich vor den Russen dorthin geflüchtet. Da
es zu dunkeln anfing und sehr kalt war, machte ich den
Vorschlag, in den Rübenkeller bei Läbisch (Pfarrgärtner) zu
gehen, was wir auch ausführten. Auf dem Wege dorthin kam ein
Russe, winkte uns, zu ihm zu kommen. Bei ihm angelangt,
forderte er uns auf — wir waren ungefähr sechs Mann —,
das Auto helfen flottzumachen, welches von der Straße den
Abhang heruntergeschleudert war. Bei näherem Hinschauen
gewahrte ich Wäsche unter den Rädern. Die Wäsche war mein
Eigentum, hatten sie aus meiner ca. zehn Meter entfernten
Wohnung geholt; sie sollte zum Flottmachen des Autos dienen.
Ich mußte dieselbe liegen lassen, hatte keine Verwendung mehr
dafür. Als wir das Auto in den Hof des Bäckers Voland
geschoben hatten., bedankte sich der russische Chauffeur dafür.
Wir begaben uns
nun gleichfalls nach dem Rübenkeller. Als wir beim Grundstück
des Fleischers Paul Stahn vorbeikamen, kamen zwei Russen auf
uns zu, nahmen meine Tochter in die Mitte und führten sie
nach dem Grundstück ab. Als ich es verhindern wollte, stießen
sie mich zurück. Im gleichen Augenblick kam ein dritter Russe
aus der Haustür, mit seinem Gewehr im Anschlag auf mich
gerichtet. Hätte ich nochmal versucht, meine Tochter zu
befreien, hätte er mich niedergeschossen. Ich ging dann nach
meinem Grundstück ca. 100 Meter entfernt, um mein Rad zu
holen. Auf halbem Wege dorthin kam meine Tochter angelaufen
und erklärte mir, ein Offizier habe sie hinausgeworfen und
auf die beiden Russen sehr geschimpft. Wie wir später
erfuhren, mußten die Russen packen, das Mitteldorf verlassen,
da unsere Truppen im Anmarsch waren, das Dorf Billendorf, ca.
fünf Kilometer entfernt, schon freigekämpft hatten. Ich bin
dann mit meiner Tochter nach dem Rübenkeller gegangen, wo
sich die anderen Landsleute schon befanden.
Gegen Abend
wurde es sehr unruhig im Mitteldorf, eine große Schießerei
begann, russische Kommandos erschallten, und gegen 11.00 Uhr
nachts erklangen deutsche Kommandos im Hof des Läbisch:
„Gruppe Sänger Feuer frei.” Ich gab dem Fräulein Marta
Blobel den Auftrag - dieselbe stand gerade auf
der Kellertreppe - mal nachzusehen, ob es deutsche Soldaten wären.
Sie schrie dann in den Hof: „Sind deutsche Soldaten hier?”
Nach kurzer Zeit kam ein Feldwebel mit drei Obergefreiten und
war erstaunt, daß so viele Leute im Keller seien. Wir erzählten
ihm unser Schicksal. Er erklärte, wir hätten diese Nacht
nichts zu befürchten, da das Dorf rechts und links der
Chaussee ca. 300 Meter freigekämpft worden sei. Zwei Frauen
begaben sich nun sofort nach der Küche des Läbisch und
kochten zwei Töpfe Kartoffeln. Die haben geschmeckt, da fast
alle schon zwei Tage nichts mehr gegessen hatten. Wir anderen
stimmten den Choral an: „Nun danket alle Gott”.
An ein Schlafen
war durch die Aufregung nicht zu denken, auch war jetzt Ruhe
eingetreten. Am Donnerstagnachmittag kam Unruhe unter die
deutschen Soldaten, welche im Hofe waren. Auf Befragen, was
los sei, erwiderten sie, sie müßten sich zurückziehen, da
russische Panzer im Anmarsch seien. Nach kurzer Zeit begann
ein ohrenbetäubendes Schießen vom Bahnübergang, ca. 300
Meter entfernt, an; Ziel: die Kirche und die umliegenden Häuser.
Die Erde erdröhnte; sechs Panzer, ein T 34, gaben
Schnellfeuer. Unsere Lage war kritisch geworden, da die
Granaten in nächster Nähe des Kellers einschlugen.
Gegen 4.00 Uhr
nachmittags hörten wir Motorengeräusch. Unsere Flieger kamen
und beschossen die Panzer. Drei wurden von ihnen außer
Gefecht gesetzt, zwei erledigte der Kommandeur unserer Truppe,
der sechste wurde von einem Obergefreiten angeschossen, fuhr
jedoch durchs Niederdorf bis zum Buschkretscham. Derselbe
beschoß dann in der Nacht den Kirchberg. Gegen Abend am 15.
Februar 1945 wollten wir das entlaufende Vieh von Läbisch
einfangen, bekamen jedoch Feuer vom Mühlischen Walde her mit
Leuchtspurmunition; es war hell wie am Tage, wir bekamen Feuer
von unserer eigenen Artillerie. Dieselbe war unseren Truppen
zu Hilfe geeilt und nahm an, daß um die Kirche herum noch der
Feind sei. Wir mußten uns nach einem neuen Übernachtungsraum
umsehen, da die Scheune niedergebrannt war. (In dieser Scheune
war der Rübenkeller.) Auch das Gritzbachsche Grundstück
brannte vollständig nieder, sowie das Mühlische Grundstück
stand in Flammen. Wir suchten endlich den Keller von Ernst Sündermann
auf und verbrachten, ca. 30 Personen zusammengepfercht, die
Nacht.
Am Morgen, dem
16. Februar 1945, gingen wir dann zum Pfarrhause, um zu sehen,
ob dort noch Landsleute seien. Daselbst befand sich
gleichfalls eine größere Anzahl. Wie war die Freude groß,
als uns die frühere Schwester Fornfeist mit einer warmen
Suppe empfing.
Ich begab mich
zum Kommandeur unserer Truppe, der gleichfalls im Pfarrhaus
untergebracht war (derselbe war beim Abschuß der zwei Panzer
schwer verwundet worden), und bat um Abtransport der Frauen
und Kinder, ca. 30 Personen. Leider konnte er dem Wunsche
nicht nachkommen, da ihm Transportmittel nicht zur Verfügung
standen. Wir bekamen des Nachts schweren Beschuß, so daß wir
den Pfarrkeller mehrmals aufsuchen mußten.
Hier sind
einige Vorkommnisse aus dem Nachbardorf eingeschoben, die Vf.
nicht selbst erlebt hat.
Am Sonnabend,
dem 17. Februar, begab ich mich betr. Abtransport der Frauen,
Kinder und Kranken nochmals zum Kommandeur. Nun erklärte er
mir, gegen 10 Uhr käme ein Lastauto mit Munition, fahre
jedoch nach Entladung gleich wieder ab. Nun konnten ca. 30
Personen, Frauen, Kinder und Kranke, die Gefahrenzone
verlassen. Wir anderen Landsleute nahmen uns die im Pfarrhause
stehenden Räder, um nach Sablath, unserem Bestimmungsort, zu
fahren. Als wir die freie Chaussee erlangten, bekamen wir so
schweres MG.-Feuer, daß wir unsere Räder wegwarfen und in
den Straßengraben sprangen. Ich bin dann bis zum Pfarrberg,
ca. ein Kilometer, 1 1/2 Stunde gekrochen, da ich beim
Aufstehen gleich schweres Feuer bekam.
Meine Tochter
Ella ist in rasendem Tempo gefahren, bekam jedoch am linken
Schuh einen Streifschuß, der 15jährigen Inge Groß wurde der
hintere Mantel zerschossen. In Nißmenau wollte ich meine
Brille hervorholen, mußte jedoch feststellen, daß ich
dieselbe im Jacket im Pfarrkeller habe liegen lassen, da ich
mir infolge der Kälte den Überzieher angezogen hatte. Als
ich zurückkehren wollte, verbot mir dies die
Feldgendarmerie-Patrouille: Es dürfe keiner zurück. In
Billendorf waren meine Tochter und die Groß nicht anwesend.
Der Feldgendarm erklärte mir. dieselben seien mit einem Militärauto
nach Christianstadt gefahren. Dies konnte jedoch nicht möglich
sein, da Christianstadt von den Russen besetzt war. Ich befürchtete
für die beiden das Schlimmste. Nun war ich ganz allein, da
dieselben auch nicht in Sablath waren.
In Sablath
setzte ich mich sofort bei den hohen Militärstellen (hier lag
der gesamte Divisionsstab) zum Abtransport der Frauen und
Kinder aus Benau nach Spremberg ein. Diese Stadt war für uns
vorgesehen. Leider waren auch hier keine Transportmöglichkeiten
vorhanden. Am Sonntag früh ließ ich mich wieder bei der
Division melden, erhielt jedoch denselben Bescheid. Die
Landsleute sollten sich jedoch in der Nähe des Denkmals
aufhalten, es könne sein, daß ein Lastauto mal eintreffe.
Ich benachrichtigte daraufhin meine Landsleute. Ich begab mich
nun nach Altwasser, um bei einem alten Freund unterzukommen.
Auf dem Wege dorthin überholte mich ein Lastauto. Wer saß
oben? Meine Landsleute. Ich hatte für ihr Fortkommen gesorgt,
nur ich kam nicht mit. Ich begab mich nun nach Buschweide —
Altwasser war geräumt. Hier wurde mir mitgeteilt, daß sich
alle zum Abtransport nach Cottbus in Königswille zu melden hätten.
Unterwegs traf ich den Gemeindediener Wantke, Frau Gastwirt
Schulz mit deren Schwester, Frau Kühn. Dieselben blieben in
Hermswalde. Frau Witwe Ernst Lehmann und Frau Gustav Kluge
schlossen sich mir an. Montagnacht kamen wir in Cottbus an. Am
Vormittag trafen wir in Spremberg ein. Am Dienstag traf auch
meine Tochter Ella ein. Ein Militärauto hatte sie mit nach
Guben genommen, woselbst sie für einen Truppenteil kochen mußte.
Am Mittwoch
wurden wir nach Söhren, Kreis Segeberg/Holstein, überwiesen,
da meine Schwiegertochter Lischen Langner dort eine Tante
hatte.
Abschließend
wird in wenigen Sätzen der weitere Fluchtweg bis Bad Segeberg
beschrieben.>>
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